Als die Künstler nach dem II. Weltkrieg den Aufbruch in neue Kunstformen erproben, werden sie von der Suche nach mehr Wirklichkeiten geleitet, in der – wie der Aktionskünstler Hermann Nitsch behauptet – «nichts mehr gespielt, dargestellt, simuliert oder interpretiert (wird). Kein Schauspieler spielt eine Rolle, Farben werden nicht mehr in abbildendem Sinn angeordnet... Alles ereignet sich wirklich, das Leben ist es, das sich durch die Aktion vollzieht.»
Die enthusiastische Forderung nach mehr Realität in den Künsten hat eine lange Tradition. Spätestens im 20. Jahrhundert verbindet sich mit ihr das Bedürfnis Kunst aus ihrer Repräsentationsfunktion zu lösen und ihr soziale und politische Wirksamkeiten zuzusprechen. Was das vielbeschworene «Reale» jedoch überhaupt ist und wie es auf die Bühne kommt, wird dabei äusserst unterschiedlich beantwortet. Ich werde in meinem Vortrag anhand von drei Beispielen aus drei Jahrzehnten (Richard Schechner, Frank Castorf, She She Pop) verschiedene Konzepte des Realen und die mit ihnen verbundenen Sehnsüchte diskutieren.
Barbara Gronau ist Theaterwissenschaftlerin, Dramaturgin und Kuratorin.
Sie studierte Philosophie, Theater- und Literaturwissenschaft in Berlin und Wien und war anschliessend Mitarbeiterin im DFG-Sonderforschungsbereich «Kulturen des Performativen» der Freien Universität Berlin, wo sie 2006 mit einer Arbeit über die Interferenzen von Theater und Bildender Kunst promovierte (Theaterinstallationen. Performative Räume bei Beuys, Boltanski und Kabakov, München: Wilhelm Fink Verlag 2010), die mit dem «Joseph Beuys Preis für Forschung» ausgezeichnet wurde. Anschliessend war sie als wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für Theaterwissenschaft der FU Berlin und als Gastdozentin an den Universitäten in Bern und in Mainz tätig. 2012 wurde sie Juniorprofessorin für Theaterwissenschaft am Institut für Medien- und Kulturwissenschaft der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf und erhielt 2013 den Ruf auf die Professur für Theorie und Geschichte des Theaters an der Universität der Künste Berlin.
Darüber hinaus arbeitet Barbara Gronau immer wieder als Dramaturgin in verschiedenen Theaterproduktionen (zuletzt 2012 She She Pop «Schubladen») und kuratiert internationale Theaterfestivals (Poker im Osten HAU 2005; Palast der Projekte – zum Verhältnis von Theater und Ökonomie HAU 2008; Entropia – Szenarien der Energie, Radialsystem Berlin 2010).
So 21. April
11:30 – 13:30 Uhr
Überzeugungskraft
Fritz B. Simon: «Wahn vs. Wirklichkeit – oder doch alles nur Wahn?»
Franz Liebl: «Strategien zur Erzeugung von Glaubwürdigkeit»
Barbara Gronau: «Das Versprechen des Realen: Vorstellungen von Wirklichkeit im Theater des 20. und 21. Jahrhunderts»
Kaserne Basel, Rossstall
Eintritt frei (Kollekte)